(aus: Schlaglichter Nr.45/99)
Überall kann man es lesen, seit Monaten weiß man, dass das Jahr 2000 bevorsteht (eigentlich sogar noch länger) – ein neues Jahrtausend fängt an. Und schon ist Hochkonjunktur – nicht nur für die Industrie, denn das Millennium, der Jahrtausendwechsel ist der beste Arbeitgeber weit und breit. Schade nur, dass es befristete Arbeitsplätze sind, die da geschaffen werden. Hochkonjunktur haben aber auch die Unheilspropheten. Die Menschheit lernt halt nie, schließlich ist es nicht das erste Jahrtausend, das neu beginnt, sondern schon das zweite.
Biblische Apokalyptik?
Vor 1000 Jahren, da glaubte man auch, dass die Welt untergeht – herkommend von den Gedanken aus dem Buch der geheimen Offenbarung, in dem es heißt, dass das 1000 jährige Reich zu Ende geht und das große Chaos ausbricht, bevor die neue Stadt Jerusalem vom Himmel herniedersteigt: „Dann sah ich einen Engel vom Himmel herabsteigen … Er überwältigte den Drachen, die alte Schlange – das ist der Teufel oder der Satan -, und er fesselte ihn für 1000 Jahre… Dann sah ich Throne; und denen, die darauf Platz nahmen, wurde das Gericht übertragen. Ich sah die Seelen aller, die enthauptet worden waren, weil sie an dem Zeugnis Jesu und am Wort Gottes festgehalten hatten… Sie gelangten zum Leben und zur Herrschaft mit Christus für 1000 Jahre … Wenn die tausend Jahre vollendet sind, wird der Satan aus seinem Gefängnis freigelassen werden. Er wird ausziehen, um die Völker an den vier Ecken der Erde … zu verführen und sie zusammenzuholen für den Kampf… Sie … umzingelten das Lager der Heiligen und Gottes geliebte Stadt. Aber Feuer fiel auf sie und verzehrte sie“ (Apk 20,1-10 in Ausschnitten). Vor Tausend Jahren zur Zeit Kaiser Otto III war die Menschheit sozusagen von Sinnen – Ängste erfüllte sie, in vielem, was sich zu jener Zeit ereignete, lagen sie begründet. Vieles von dem, was geschah sah man im biblischen Text vorgezeichnet. Aber wer heute die Bibel als Buch von Prophezeihungen nimmt – insbesondere die Offenbarung des Johannes, mißbraucht die Bibel. Sie erzählt nämlich nicht, was sein wird, sondern sie will denen Mut machen, die aktuell (damals unter der Christenverfolgung unter Domitian ca. 100 n. Chr.) in der Bedrängnis sind. Auch heute gibt es Weltuntergangsängste – sektiererische Ansichten und Ängste vor dem Zusammenbruch der hochtechnisierten Computerwelt machen sich breit. So hochintelligent einzelne Menschen sind, so irrational sind sie dann wieder in ihren Handlungen – oder gar in der Lebenseinstellung.
Erinnert Ihr Euch – die Welt sollte ja schon untergehen bei der Sonnenfinsternis in diesem Jahr – die Naturkatastrophen, die in diesem Jahr besonders viele Opfer forderte – aber nicht stärker waren als sonst – passen dann natürlich auch in dieses Weltbild von der untergehenden Welt. Und zur Natur spielt natürlich die Macht der PCs eine große Rolle.
Sicherheit der Computer – droht der Millenniumsschock?
Ist Euer PC 2000 sicher? Das ist eine Frage, die Ihr Euch sicher schon gestellt habt. Denn genau hier setzen ja viele Ängste an – was ist mit den PCs in Atomkraftwerken, die die ganzen Anlagen steuern, oder was ist mit den anderen PCs bei den Energiekonzernen – gehen in der Silvesternacht die Lichter aus und die Leute auf den Parties in aller Welt sitzen im Dunkeln? Oder was ist mit den Flugzeugen? Immer mehr Fluggesellschaften machen in jener Nacht der Nächte keine Flüge – warum auch, wenn doch eh die meisten Menschen am Boden bei irgendeiner Gala feiern! Die deutsche Bundesbahn wird in jener Nacht alle Züge ein paar Minuten vor 0.00 im Jahre 000 anhalten – bei den Pleiten und Pannen in den letzten Jahren ist das nicht verwunderlich. Von einer Klinik wird berichtet (gerade als ich am Schreiben bin), dass sie für 10 Tage Dieselkraftstoff für die Notstromaggregate gehortet hat, um die Patientenversorgung sicherzustellen. Alle Aufzüge werden kurz vor 24.00 Uhr gestoppt, damit niemand stecken bleibt. Es gibt einen Urlaubsstop, das Personal, das sonst in Rufbereitschaft ist, muß in den Kliniken sein. Die Funkanlagen der Taxifahrer können im Notfall ausfallende Telefonnetze auffangen. Dienstfrei haben die Hilfsorganisationnen in jener Nacht der Nächte nicht. Jene Nacht wird also alles in Atem halten – aber untergehen wird davon die Welt nicht. Da wäre ja auch die ganze Mühe und Vorsorge umsonst: Da hätten beispielsweise die MitarbeiterInnen bei der Deutschen Bank umsonst ihre Überstunden geschoben, um die Computersysteme auf den Vordermann zu bringen, da hätten die Kliniken umsonst einen Urlaubsstop erlassen, falls die ganzen Aggregate ausfallen, dass die Notfallversorgung zur Not auch manuell vorgenommen werden kann.
Aber es gibt natürlich auch die anderen Verrückten – und natürlich diejenigen, die damit gut verdienen – die mit dem Flugzeug an der Datumsgrenze hin und her fliegen, um zwei mal ins Jahr 2000 zu kommen; oder die Frauen, die unbedingt ein Millenniumsbaby wollen; Wunsch: „Die Chirurgen sollen wenige Minuten vor Mitternacht die Bauchdecke öffnen und Punkt 24.00 Uhr“ – nein, Punkt 0.00 Uhr in Jahr 00 – „die Babies aus der aufgeschnitten Mutter heben“.
Doch was ist mit den Babies, die früher rauswollen – dürfen die?
So ist also die Welt – eigentlich die christliche Welt – denn z.B. Juden und Moslems haben kein Millennium – verrückt auf dem Weg ins neue Jahr Tausend, die einen, die meinen, daß die Welt untergeht, die anderen die ein besonderes Event aus diesem Ereignis machen – und die Kirchen fahren mit auf diesem Wagen. Die einzigen Schlauen sind die, die daran verdienen…
Silvestertip für Pfadis
Silvester – zwischen Horror und Abenteuerlust – was ist, wenn wirklich was passiert? Ein Silvestertip für hilfsbereite Pfadis – wie wäre es, wenn der Stamm eine nichtalkoholische Silvesterparty feiert, um im Notfall als freiwillige Helfer und Helferinnen zur Verfügung zu stehen – egal, wo sie feiern, ob zu Hause oder auf Sylt. Wie gesagt, ob die Lichter ausgehen, Panik entsteht – weiß man ja nicht. Und es gibt immer noch Dolle, die nicht vorbereitet sind: „Nach der Silvesternacht könnte es für viele Unternehmer ein böses Erwachen geben. Zu schlecht haben sich vor allem mittelständische Betriebe auf die Jahrtausendwende vorbereitet… Jeder dritte Unternehmer habe sich überhaupt nicht mit dem Datumswechsel und den daraus resultierenden Problemen für die Datenverarbeitung befasst. Die EU- Kommission befürchte, dass 15 % aller Betriebe den Sprung ins neue Jahrtausend nicht schaffen und in Konkurs gehen…“ Es sei nicht ein Problem für EDV-Abteilungen, sondern es gäbe auch Probleme bei Einkauf, Fertigung und Buchhaltung. (aus der Offenb. Post vom 11.11.1999 – ernstgemeint, kein Gag zum Beginn der Fastnachtskampagne!!!).
Der späte Tip: Kalenderreform
Und beginnt da überhaupt das neue Jahrtausend – eigentlich fängt man mit dem Zählen bei 1 an, oder? Und eigentlich – warum da noch niemand darauf gekommen ist, das verstehe ich nicht, denn das ist ja noch viel besser, sind wir schon im zweiten Jahrtausend – vielleicht hätten wir nur so pfiffig sein sollen, wie einst Papst Gregor XIII, der bei der letzten Kalenderreform 1582 Fehler des julianischen Kalenders beseitigte, die im Mittelalter schon bekannt waren. 1582 war so das kürzeste christliche Jahr, es fielen 10 Tage einfach weg. Und durch Regelung der Schaltjahre wird es erst in 4500 Jahren eine Abweichung vom Sonnenjahr um einen Tag geben. Da die Wissenschaft erwiesen hat, dass es bei der Berechnung der Geburt Jesu, die ja der Ausgangspunkt unserer Zeitrechnung ist, auch eine Verrechnung um ein paar Jahre gegeben hat, so hätte man in den letzten Jahren einfach ein paar Jahre dazuzählen sollen, dann wäre ein Problem weniger gewesen. Bzw. noch sind – während des Schreibens – über 50 Tage Zeit, wenn ihr das lest, sind es nur noch 14 Tage, um den drohenden Supergau, nämlich die Bedrohung der Welt durch den Ausfall der Computer zuvorzukommen.
Vielleicht sollte man noch schnell eine Unterschriftsliste an die UN schicken, oder … Denn wir wären dann jetzt schon im Jahre 2004 oder 2007 oder – dann gäbe es wohl ein anderes Problem, denn die Wissenschaftler sind sich nicht einig über den Zeitpunkt der Geburt Jesu… – und überhaupt! Ich wäre ja dann schon 4 oder 7 Jahre älter ohne diese Zeit eigentlich gelebt zu haben!!! Da bekäm meine zarte Seele doch einen ganz schönen Knacks!
Aber so haben wir unsere Probleme – und einzelne fangen an, sich Nahrungsmittel zu horten. Das soll angeblich auch sinnvoll sein, sogar unabhängig davon, ob die Welt untergeht oder nicht, denn man weiß ja nicht, ob am 03.01.00 die Geschäfte öffnen können … Und manche haben sich schon ihre Arche Noah angelegt – nur Tiere, von jeder Sorte zwei, das hat noch niemand gemacht. Da scheint unsere Welt schon zu egoistisch geworden sein, es werden Bunker angelegt mit Depots für Nahrung für mehrere Jahre. Wär hätte gedacht, dass heutzutage eine so hohe Bereitschaft da ist zum Einsiedlertum…
Ach ja, und ist die Hürde zum Millennium genommen, fallen wir uns am 01.01.2000 freudetrunken in die Arme, dass wir noch leben, dann steht ein zweites Datum unmittelbar bevor: der 29.02.2000. Dafür ist zwar kein Weltuntergang prophezeit, aber der Computercrash….
Endlich wird das Leben einmal spannend.
Doch jetzt mal im Ernst
Es ist gut, dass ein solches Ereignis die Menschen nicht kalt läßt. Aber führt es wirklich zum Kern der Sache? Nachdenken, wo kommen wir her und wo gehen wir hin? Die Zeit ist qualifiziert – unabhängig, ob die Daten richtig berechnet sind, unabhängig, ob man vielleicht nicht sogar erst ab der Auferstehung Jesu rechnen sollte und welche Meinungen es immer auch noch gibt. Unsere Zeit in Gottes Händen, so heißt denn auch vielfach das Motto, das über dem Jahrtausendwechsel steht – oder eben auch „Christus gestern, heute und in Ewigkeit“. Zeit, unsere Zeit, unsere Geschichte ist christlich gesehen als eine Heilsgeschichte – bei allem Unheil, was auch geschieht (in diesem Jahr die Kriege auf dem Balkan und jetzt in Tschetschenien, die Erdbeben in der Türkei, in Taiwan, der Taifun in Indien und vieles mehr). Wir können nicht herausfallen – nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist. Sind die Ängste vor drohenden Weltuntergängen Ausdruck der Haltlosigkeit so vieler? Wie gehen wir als Pfadfinderinnen und Pfadfinder ins neue Jahrtausend – ist es einmal Thema in Gruppenstunden, was die Kinder und Jugendlichen oder gar in der Leiterrunde, was uns Leiterinnen und Leiter berührt? Oder ist es egal, was geschieht: Sind wir nicht mehr, dann sind wir nicht mehr und sind wir noch, dann sind wir noch?
Mir ist es nicht egal, wie es anderen damit geht, weil ich glaube, dass auch der Wechsel (auch wenn es Schrammen gibt) gut ausgeht. Ansonsten möchte ich sagen, wenn das die letzte Ausgabe sein sollte, die Ihr lesen könnt (was ich nicht glaube; wir lesen uns wieder!!!): Ich habe meinen Auftrag erfüllt. Ich bin nach Hause gegangen.
Karl Heinrich Stein, Diözesankurat